Emotionale Abhängigkeit - Liebe oder Verlustangst?
- Nathalie Hessler

- 1. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
„Ich kann ohne ihn/sie nicht leben.“
„Wenn er/sie geht, bricht alles zusammen.“
„Ich weiß, die Beziehung tut mir nicht gut – aber ich komme nicht los.“

Sätze wie diese höre ich in meiner Praxis immer wieder. Sie beschreiben nicht selten emotionale Abhängigkeit – ein Zustand, der leicht mit Liebe verwechselt wird.
Wo hört Liebe auf – und wo beginnt Abhängigkeit?
Echte Liebe ist geprägt von Freiheit, Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung.
Natürlich gibt es Höhen und Tiefen, Nähe und Distanz. Aber im Kern bleibt das Gefühl: „Ich bin wertvoll – auch unabhängig von dieser Beziehung.“
Emotionale Abhängigkeit dagegen fühlt sich ganz anders an:
Ein ständiges Kreisen um den Partner
Angst, verlassen zu werden
Schuldgefühle, wenn man eigene Bedürfnisse zeigt
Das Gefühl, ohne den anderen nichts wert zu sein
Es fühlt sich an wie Liebe, ist aber häufig eine Verbindung, die mehr von Verlustangst als von Vertrauen geprägt ist.
Ursachen: Warum wir in Abhängigkeit geraten
Emotionale Abhängigkeit hat oft ihre Wurzeln in der Kindheit:
Unzuverlässige Zuwendung: Wenn Eltern mal liebevoll, mal abweisend waren, entsteht ein Muster: „Ich muss kämpfen, um Liebe zu behalten.“
Ablehnung oder Vernachlässigung: Das Kind lernt: „Ich bin nicht liebenswert genug.“
Überbehütung: Wer nie Selbstständigkeit entwickeln durfte, erlebt Alleinsein später als bedrohlich.
Diese frühen Erfahrungen prägen unbewusst unser Erwachsenenleben.
Wir suchen dann in Partnerschaften die Sicherheit, die uns als Kind gefehlt hat – und geraten so leicht in Abhängigkeit.
Typische Anzeichen emotionaler Abhängigkeit
Du richtest dein ganzes Leben nach den Wünschen deines Partners.
Du hast Angst, deine Meinung zu sagen, weil er/sie dich sonst ablehnen könnte.
Du erträgst Respektlosigkeit oder Verletzungen, um nicht verlassen zu werden.
Du fühlst dich wertlos, wenn du alleine bist.
Diese Dynamik ist kein Zeichen von „Schwäche“ – sondern von alten Mustern, die nie heilen durften.
Wege aus der emotionalen Abhängigkeit
Der Ausstieg ist möglich – Schritt für Schritt:
Selbstwert aufbauen:
Erinnere dich: Dein Wert hängt nicht davon ab, ob jemand bei dir bleibt. Selbstfürsorge, kleine Erfolgserlebnisse und liebevoller Umgang mit dir selbst stärken dein Fundament.
Innere Muster verstehen:
Frage dich: „Wann habe ich gelernt, Liebe mit Angst zu verbinden?“
Manchmal liegt die Antwort in der Kindheit, manchmal in einer prägenden Beziehung.
Grenzen üben:
Sage bewusst auch einmal Nein. Teste, was passiert, wenn du dich nicht sofort anpasst. So lernst du, dass Verbindung auch dann bestehen kann, wenn du für dich einstehst.
Unterstützung suchen:
In Therapie oder Beratung kannst du alte Verletzungen aufarbeiten und lernen, gesunde Beziehungen zu gestalten – ohne Angst, verlassen zu werden.
Liebe ohne Angst ist möglich
Wenn du dich in diesen Zeilen wieder erkennst, bist du nicht „falsch“ – du bist geprägt.
Aber Prägungen lassen sich verändern.
Du darfst lernen, dass Liebe nicht bedeutet, dich aufzugeben.
Dass Nähe nicht mit Angst verbunden sein muss.
Und dass eine glückliche Beziehung möglich ist – auf Augenhöhe, in Freiheit, mit Vertrauen.
Wahre Liebe macht dich nicht kleiner – sie lässt dich wachsen!



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